Der Mindestlohn beträgt vom 1. Januar 2022 an 9,82 Euro. Ab 1. Juli 2022 steht eine Erhöhung auf 10,45 Euro an. Die Bundesregierung plant zum 1. Oktober 2022 die Erhöhung auf 12 Euro pro Arbeitsstunde. Den gesetzlichen Mindestlohn müssen Sie grundsätzlich auf für Praktikanten zahlen – aber nicht immer. In einem aktuellen Urteil halt das Bundesarbeitsgericht (BAG) Ausnahmen von diesem Grundsatz definiert.

Vor Gericht: Muss das Pflichtpraktikum einer angehenden Medizinstudentin vergütet werden?

Eine angehende Medizinstudentin leistete ein sechsmonatiges Praktikum in einem Krankenhaus ab. Das Praktikum war in der Studienordnung der – privaten, aber staatlich anerkannten – Hochschule als Voraussetzung für das Studium vorgeschrieben. Im Vertrag mit dem Krankenhaus wurde kein Entgelt vereinbart. Im Nachhinein verlangte die Praktikantin die Zahlung einer Vergütung auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns. 

Zu Unrecht, wie das Gericht entschied (Urteil vom 19. Januar 2022, Aktenzeichen: 5 AZR 217/21). Das sechsmonatige Pflichtpraktikum vor Aufnahme des Studiums sei als verpflichtendes Praktikum zu sehen und damit von der Mindestlohnpflicht ausgenommen (§ 22 Abs. 1 Nr. 1 MiLoG). Das Gericht argumentierte, dass nicht nur verpflichtende Praktika während des Studiums von der Mindestlohnregelung ausgeschlossen sind, sondern auch solche, die den Zugang zum Studium erst ermöglichen, also sogenannte Vorpraktika. Damit werde nicht sachwidrig der grundsätzlich bestehende Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für Praktikanten umgangen.

Und das gilt für Praktikanten in der Sozialversicherung

Für ein vorgeschriebenes Pflichtpraktikum, das vor Beginn oder nach Abschluss des Studiums oder der beruflichen Schulausbildung stattfindet, müssen Sie bei der versicherungsrechtlichen Beurteilung in der Kranken- und Pflegeversicherung danach unterscheiden, ob Sie ein Arbeitsentgelt zahlen oder nicht. Bei einer Entgeltzahlung besteht Kranken- und Pflegeversicherungspflicht. Ohne Entgelt kommt die besondere Versicherung als Praktikant zum Tragen, soweit nicht ein anderweitiger Krankenversicherungsschutz – zum Beispiel als Familienversicherter – besteht.

In der Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen diese Praktikanten in jedem Fall der Versicherungspflicht, das sie als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte gelten. Das gilt unabhängig davon, ob Sie ein Entgelt zahlen oder nicht.

In der Kranken- und Pflegeversicherung werden die Beiträge für die Zeit die Versicherungspflicht als Praktikant ohne Arbeitsentgelt nach dem monatlichen BAföG-Bedarfssatz berechnet. Zugleich gilt ein besonderer Beitragssatz in Höhe von 7/10 des allgemeinen Beitragssatzes, zuzüglich des Zusatzbeitrags der Krankenkasse des Praktikanten.  Diese Beiträge trägt der versicherungspflichtige Praktikant allein.

In der Renten- und Arbeitslosenversicherung berechnen Sie bei einem Praktikanten ohne Entgelt die Beiträge nach einem fiktiven Einkommen in Höhe von 1 Prozent der monatlichen Bezugsgröße. Das sind im Jahr 2022 in den alten Bundesländern 32,90 Euro, in den neuen Ländern 31,50 Euro. Die darauf entfallenden Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung tragen Sie als Arbeitgeber.

Unser Service für Sie im Informationsportal

Wie Sie Praktikanten sozialversicherungsrechtlich behandeln müssen, erfahren Sie im Steckbrief Praktikant. Und in unserer SV-Bibliothek können Sie in den gemeinsamen Rundschreiben und grundsätzlichen Hinweise der Sozialversicherungsträger nachlesen, wie Studenten, Praktikanten und Auszubildenden ohne Arbeitsentgelt sowie Auszubildenden des Zweiten Bildungswegs vom 20. März 2020 versicherungsrechtlich beurteilt werden.